Leseprobe Groupie

Langweilig wie ein Käsebrötchen

Der Sonnenstrahl, der durch das offene Fenster in das Arbeitszimmer ihres Vaters fällt, trifft den Messinggriff der obersten Schreibtischschublade. Das kurze Aufblitzen weckt ihre Neu-gier, sie zieht die Schublade auf und findet unter einem Stapel vergilbter Papiere zwei Tagebücher, die von einer Frau geschrieben worden sind. Diese Frau heißt Ursula, ihre Mutter heißt Charlotte.

Sie nimmt die beiden Tagebücher mit in ihren Jugendclub, in dem sie sich nach Feierabend treffen, donnerstags ist dort nie viel los. Immer da ist eigentlich nur ihre Freundin Stine, die ein Jahr jünger ist als sie und noch zur Schule geht. Stine steht noch nicht auf Jungs, sie dagegen gönnt sich zumindest am Wochenende zwei oder drei von ihnen. Einen Stammstecher hat sie aber nicht.

Stine spielt mit Oliver, den sie den Aufpasser nennen, Tischfußball. Wenn Stine an den Stangen kurbelt, flattert ihr kurzer Rock. Stine zeigt ihre schlanken Beine gern, ihre sind leider nicht so wohlgeformt, dafür sind ihre Brüste größer, die sie ebenfalls gern zeigt. Deswegen trägt sie meistens weite T-Shirts, die den Jungs Einblicke gewähren, die sie ihrem Ziel näher bringen. Doch dazu später.

„Bringst du mir eine Cola?“, fragt sie Oliver.

„Jetzt nicht“, antwortet er und passt einen Augenblick nicht auf.

„6 : 5“, jubelt Stine.

Oliver straft sie mit seinen Blicken und bringt den Ball wieder ins Spiel. Sie holt sich ihre Cola selbst und setzt sich auf die abgewetzte Couch, die unter einem kleinen Fenster steht und schlägt das erste Tagebuch auf.

„Liebes Tagebuch“, liest sie und wundert sich über die stets geraden Buchstaben, die auch noch alle den gleichen Abstand haben. „Was ich dir hier anvertraue, darfst du niemandem verraten.“

Die erste Eintragung stammt vom 10. Mai 1985. Ursula freut sich auf ein Konzert. Der Name der Gruppe sagt ihr nichts. Dass ihr Vater in jungen Jahren in einer Band gespielt hat, liest sie zum ersten Mal. Aber ihr Vater ist schon immer sehr vielseitig gewesen. Derzeit nennt er sich Schauspieler, die meisten seiner Filme gibt es auf Video in Erotikshops. Über die Titel amüsiert sie sich jedes Mal. Sein Künstlername wechselt.

„Ein Tor noch“, jubelt Stine erneut. „Dann musst du einen ausgeben.“

Ursula schildert, wie sie sich mit einer Freundin ihren Vater als Lustobjekt auswählt, was nach dem Konzert geschehen ist, deutet sie nur an. Doch so viel wird ihr klar: Ursula und ihre Freundin haben im Park mit ihrem Vater gefickt.

An den folgenden Tagen scheint nichts Aufregendes im Leben dieser Ursula geschehen zu sein, ihre Arbeit in einer Anwaltskanzlei findet sie langweilig, ihr Chef scheint nicht besonders nett zu sein.

„Außerdem ist er so langweilig wie ein Käsebrötchen“, schreibt sie. „Ich könnte nackt ins Büro kommen, er würde es nicht einmal merken.“


„Kann mir jemand sagen, wie langweilig ein Käsebrötchen ist?“, fragt sie Oliver und Stine, die sich an der Theke miteinander unterhalten.  

Hier bestellen

Kommentare

Beliebte Posts